Diese Rede hat Dr. Maria Riehl, Ehrenpräsidentin der Österreichischen Frauenföderation für Weltfrieden, am 20. Oktober 2013 im Rahmen eines Erntedankfestes der Frauenföderation in Wien gegeben.
„Die Dinge der Schöpfung, die uns umgeben, sind das symbolische Abbild ihres Schöpfers, unserer Himmlischen Eltern. Wir Menschen sind das direkte Abbild Gottes. Zum Erntedank feieren wir die Schönheit der Natur und auch unsere Arbeit, die wir investiert haben.
Der Ort der Auferstehung im Garten ist der Komposthaufen, weil dort Prozesse stattfinden, die Altes zersetzen und Neues entstehen lassen: die Würmer und Bakterien verändern das verrottete Material so, dass aus ihm wieder neues Leben entsteht.
Was motiviert die kleineren Dinge, sich für Größeres zu opfern? Dahinter steht die Theorie von der „Absorption auf der Grundlage der Liebe.“ Was bedeutet das? Der Wert eines kleineren Lebewesens steigt, wenn es zur Schaffung eines höheren Wesens beiträgt, indem es Teil dieses höher entwicklten Lebewesens wird. Es wird dadurch nämlich auch Teil eines größeren Kreislaufes der Liebe.
Wir können dieses Prinzip in der Natur beobachten: Sie ist unser Objekt und kann sich uns nicht widersetzen. Deshalb ist es unsere Verantwortung , sie mit Respekt zu behandeln. Dadurch, dass die Lebewesen der Natur, Planzen und Tiere, vom Menschen absorbiert werden, werden sie Teil des direkten Abbildes Gottes, des Menschen. Der Mensch wiederum kann nur existieren, wenn er die Luft einatmet, Flüssigkeit und Nahrung zu sich nimmt, sowie Licht und Wärme der Sonne genießt. In diesem Sinn ist er hundertprozentig von der Natur abhängig.
Welche Haltung sollten wir Menschen dann der Natur, unserer zweiten Mutter, gegenüber haben?
Wir können es mit einem Wort zusammenfassen: Dankbarkeit .
Wie wirkt sich eine Haltung von Dankbarkeit auf uns selber aus? Es ist ein Gemütszustand, der dem Frieden am nächsten kommt. Oft jedoch sind wir weit entfernt davon, in einem Zustand der Dankbarkeit Ruhe zu finden. Was hindert und daran?
Oft ist es Neid: das Gefühl, dass andere mehr haben als ich, vom Schicksal begünstigt zu sein scheinen. Diese Neigung existiert seit dem Beginn der Menschheit in unserer Seele: die biblische Geschichte vom Sündenfall des Menschen zeigt uns, dass der Engel mit Neid und Missgunst auf die Menschen schaute, weil diese als Gottes Kinder scheinbar größeren Segen erhielten. In weiterer Folge hat sich der Mensch dieselben Gefühle zu Eigen gemacht.(1)
Wie kann ich den Neid überwinden? Indem ich mich selbst betrachte und erkenne, dass ich bereits in der Fülle lebe. Ich habe keinen Grund, neidisch zu sein.
Die zweite Komponente , die der Dankbarkeit im Wege steht, ist der Egoismus, die Selbstbezogenheit. Dahinter können wir Angst erkennen. Angst, dass ich zu kurz komme, wenn nicht ich selbst im Mittelpunkt stehe. Auch von dieser Haltung können wir uns durch Dankbarkeit befreien.
Ein Auswuchs des Egoismus ist die Neigung, andere für sich selbst zu benutzen. Die Folge dieses Denkens ist die Versklavung des Menschen durch den Menschen. Ich habe meine Kindheit in einem kommunistischen Land verbracht, wo der Großteil der Bevölkerung von einer kleinen Gruppe von Menschen, die der Führungsschicht anghörten, eingeschüchtert und unterdrückt wurde, bis zu einem Grad, dass man über gewisse Themen gar nicht sprechen konnte, ohne sein Leben zu riskieren. Auch in solch extremen Umständen konnten wir noch immer unsere eigene Freiheit finden, wenn wir fähig waren, Dankbarkeit für die kleinsten Dinge des Lebens zu empfinden.
Eine weiterer Grund für innere Zerissenheit ist der Drang, die eigene Position zu verlassen, um unrechtmäßig den Platz eines anderen Menschen einzunehmen. Das kann sich auf familiäre Positionen beziehen, wenn zum Beispiel ein Ehepartner die eheliche Treue bricht oder seinen elterlichen Pflichten nicht nachkommt. Oder es kann sich auf Situationen im öffentlichen Leben beziehen, wo wir oft beobachten können, wie Menschen in korrupter Weise höhere Positionen anstreben.
Wenn ich jedoch innehalte und meine eigenen Position und Situation mit Dankbarkeit betrachte, brauche ich mich nicht mehr mit anderen zu vergleichen und ihre Position auch nicht anzustreben.
Ein wichtiger Schritt, Dankbarkeit zu entwickeln, ist es, sich von der Opfer-Mentalität zu befreien. Derjenige, der sich als Opfer gewisser Geschehnisse oder Umstände empfindet, kann sein volles Potenzial nicht entfalten. Er steht sozusagen vor einer Wand. Um diese zu überwinden, muss ich mich mit dem Täter befassen und mit seinen Motiven. Dann erkenne ich, das auch er Opfer ist und ich werde die Kraft und Motivation haben, ihm zu verzeihen. Das bringt mich in eine freiere, handlungsfähigere Position. Mein Denken wird wohlwollender und ich kann das Denken, dass ich ein hilfloses Opfer bin, loslassen.
Besondes wenn wir im öffentlichen Leben tragende Rollen einnehmen, zum Beispiel in der Politik, sollen wir uns diese Punkte zu Herzen nehmen und eine Haltung der Dankbarkeit praktizieren.
Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass die Österreichische Frauenföderation ein Projekt in Nordkorea unterstützt, das „1% Love Sharing“. Der Erlös des kleinen Bio-Marktes, den wir heute für Sie hier aufgebaut haben, geht an dieses Projekt.
Ich danke Ihne für Ihre Aufmerksamkeit!
(1): „Das Göttliche Prinzip“ erklärt im 2. Kapitel „Der Sündenfall“ den Verlauf der Trennung des Menschen von Gott, in welchem der Erzengel Luzifer (im Alten Testament mit „Schlange“ bezeichnet) eine entscheidende Rolle spielte.